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Sabah – Vom Mount Kinabalu bis zum Kinabatangan-Fluss


Inhalt

Auf dem Sonntagsmarkt

Ueber den Wolken

Rotkaeppchen des Regenwaldes

Bei den Nasenaffen

 


Auf dem Sonntagsmarkt

Der Sonntagsmarkt von Kota Belud im Norden Sabahs ist allen ein Begriff. Er soll riesig sein, soll Haendler verschiedenster ethnischer Volksgruppen anziehen, und man soll, so erzaehlt man uns, hier einfach alles kriegen von der Kuh bis zur garantiert echten Billiguhr. Das muessen wir sehen, und wir fahren mit einem Mietauto in aller frueh los Richtung Norden. Der Markt beginnt im Morgengrauen und endet bereits am Mittag. Caroline liest die Karte, und schon haben wir uns verfahren... Ein schoener Umweg allerdings, der uns durch Waelder und in entlegene Ortschaften fuehrt. Die kleinen Doerfer bestehen aus Holzhaeusern, die aus regentechnischen Gruenden erhoeht auf Stelzen stehen und angemalt sind von rosarot bis tuerkisblau. Jedes Haus verfuegt ueber eine gedeckte Veranda, die zumeist von liebevoll aufgereihten Blumentoepfen mit Christusdorn in allen Farben gesaeumt ist.

 

Endlich kommen wir in Kota Belud an und entdecken im Zentrum auch schon den Markt. Wir schlendern vorbei an einigen Gemuesestaenden, entdecken die Fischabteilung und ein paar kleine Restaurants, doch die Begeisterung haelt sich in Grenzen. Ein netter Markt, aber genauso wie man ihn ueberall in Malaysia findet. Dafuer haetten wir nicht drei Stunden im Auto sitzen muessen! Etwas enttaeuscht gehen wir weiter und reden uns ein, wie toll der Markt ist, bis Migg vorschlaegt, sich ausserhalb des Dorfes noch etwas umzusehen. Wir gehen einen kleinen Huegel hoch und auf der anderen Seite runter, und da, in einer Senke gut versteckt, breitet sich auf einer riesigen Flaeche der ”echte” Sonntagsmarkt von Kota Belud aus! Wie gut, dass man sich auf Miggs Instinkte verlassen kann...

 

Mit Begeisterung stuerzen wir uns ins Getuemmel. Auf niedrigen Holzstaenden sitzen Frauen mit Wollmuetzen und Batik-Sarongs. Sie bieten Zitronengras, Kangkung (spinatartiges Gemuese) und Kohlkoepfe an. Ein kleiner Junge verkauft kleine Plastiktuetchen, gefuellt mit Eistee. Unglaublich, was es hier alles zu sehen gibt: Geflochtene Koerbe, frische Fische, Kunsthandwerk aus geschliffenen Kokosnuss-Schalen, zehn verschiedene Reissorten auf einen Schlag, billiger Chinesen-Kitsch, daneben die schoensten Orchideen, die man sich vorstellen kann (woher wohl?!), gefolgt von einem gigantischen Haufen zerknuellter Second-Hand-Kleider. Auf dem Boden sitzt ein alter Mann, der umgeben ist von gebuendelten Aesten, Holzstuecken, knorrigen Wurzeln, Puelverchen und Flaeschchen. Er scheint der Medizinmann des Marktes zu sein. Wir knien uns zu ihm hin und erfahren, dass die gebuendelten Ruten je nach Baumart entweder Diebe oder wilde Tiere vom Haus abhalten. Die zugesaegten Holzscheiben, die daneben aufgereiht liegen, seien pulverisiert gut fuer die Heilung von Wunden aller Art. Mischt man das Pulver mit Wasser, fuegt eine bestimmte Wurzel hinzu, kocht das Ganze auf und gibt etwas Honig dazu, verbessere das die Sehkraft. Er habe seine Brille laengst weggeschmissen und koenne jetzt auch Kleingedrucktes lesen, meint der alte Mann und schaut uns mit seinem intensiven Blick an. Wer weiss? Uns zieht es weiter, den dunkel vibrierenden Klaengen nach. Da sehen wir auch schon drei uralte Frauen mit faltigen Gesichtern in bunten Sarongs, die voller Enthusiasmus den Gong schlagen. Daneben steht ein riesiges Xylophon mit asiatischen Klangfolgen. Es besteht aus einer oben offenen Holzkiste, deren Rand mit einem Stueck Stoff eingefasst ist. Die Klangkoerper sind rechteckige Metallplaettchen mit einer runden Einbuchtung, die einfach auf die Holzkiste gelegt werden. Geschlagen wird mit einem Stueck Holz. Wie gerne haetten wir eines dieser musikalischen Kunstwerke gekauft, doch unser Rucksack ist einfach zu klein.


Ueber den Wolken

"Sorry, fully booked", meint die Angestelllte freundlich laechelnd. Ernst, Carolines Vater, macht ein langes Gesicht. "Das habt ihr bestimmt extra so arrangiert, weil ihr Angst habt, dass ich zu schnell auf diesen Berg steige und mich ueberanstrenge..." meint er sauer. Aber nein doch, wir wollen ja auch hinauf auf den zweithoechsten Berg Suedostasiens, den Mount Kinabalu (4100m.ue.M.). Nur dumm, dass wir ausgerechnet am Chinesischen Neujahr hier sind, wo alle Chinesen frei haben und sich nun ausgerechnet hier in Scharen versammelt haben. Wir beschliessen, uns fuer eine Nacht im Nationalpark einzuquartieren und frueh am naechsten Morgen nochmals herzukommen, falls es Absagen geben sollte. Wir haben Glueck: Am Morgen kommt der Bescheid, es habe freie Plaetze. Carolines Mutter Susanne sind die Strapazen der Bergtour etwas zu gross und die Luft auf 4000 Meter zu duenn, so dass sie schweren Herzens beschliesst, lieber unten zu bleiben. Wir ziehen also zu dritt los, das heisst, eigentlich zu viert, denn es ist obligatorisch, einen Fuehrer zu mieten. Ein Witz, denn der Weg hinauf ist von den vielen Besuchern so breitgetreten, dass man ihn unmoeglich verfehlen kann. Fuer uns ist ein Fuehrer eher eine Last, viel lieber wuerden wir alleine losziehen. Rund um den Mount Kinabalu ist alles straff durchorganisiert. Nur wer im voraus eine teure Uebernachtung in der Berghuette bucht und saftige Besteigungsgebuehren bezahlt, ist dabei. Man koennte fast vergessen, dass man nicht ein Museum besuchen, sondern einen Berg mitten in der Natur besteigen will, der ja eigentlich niemandem gehoert (oder doch?). Doch bald ruecken diese Gedanken in den Hintergrund und machen dem maerchenhaften Tieflandregenwald mit ueppigen Baumfarnen, Lianen und dicken Baumstaemmen platz. Lautstark floeten die Voegel dissonante Melodien, untermalt vom schrillen Kreischen der Zikaden.

 

Berg der Geister

Der Weg ist steil, das feuchtwarme Klima drueckt einem den Schweiss nur so aus den Poren. Und doch ist der Pfad heute ein leichtes Spiel im Vergleich zu damals, als der Mount Kinabalu zum erstenmal bestiegen wurde. Wir versuchen uns vorzustellen, wie die Pioniere durch den undurchdringlichen Dschungel den Weg ins Unbekannte wagten. Die erste dokumentierte Expedition ist jene des Englaenders Hugh Low im Jahr 1851. Bevor er jedoch den Berg besteigen konnte, musste er zuerst die Einheimischen vom Volk der Kadazandusun davon ueberzeugen, dass er die Geister der Toten, die in der Gipfelregion ruhen, nicht stoeren wuerde. Er huldigte ihnen mit Opfergaben, darunter einen Hahn. Heute, so erzaehlt unser Fuehrer, seien praktisch alle, die am Fusse des Berges leben, christianisert und glaubten “offiziell“ nicht mehr an solche Dinge... An den Erstbesteiger Hugh Low erinnern heute noch viele Pflanzen, die nach ihm benannt wurden, zum Beispiel die Kannenpflanze Nepenthes lowii oder Rhododendron lowii.

 

Oekologischer Hotspot

Der Mount Kinabalu ist so etwas wie ein oekologischer Hotspot Asiens. Nur ein kleiner Teil des geschuetzten Parks ist oeffentlich zugaenglich, der Rest ist mehr oder weniger unberuehrte Wildnis. Ein Mekka fuer alle botanisch Interessierten! Es existieren rund 5000 verschiedene Bluetenpflanzen und allein 300 Moosarten. Die geschaetzte Anzahl Orchideen-Arten belaeuft sich auf 1400! Wissenschaftlich belegt sind momentan erst ca. 700, es gibt also noch viel zu tun! Es besteht durchaus noch die Chance, eine “neue“ Orchidee zu entdecken und ihr einen Namen zu geben. Die Pflanzen sind umschwaermt von Tausenden von Insekten, dazu kommen 326 Vogelarten und 100 verschiedene Saeugetiere. Viele der Pflanzen und Tiere sind endemisch, das heisst, sie kommen ausschliesslich in der Region des Mount Kinabalu vor.

 

Umnebelt

Bald schon wechselt das Bild. Die Baeume werden kleiner und knorriger, es dominieren verschiedene Eichen- und Kastanienarten sowie vereinzelte Nadelbaeume und wunderschoen gefaecherte Bambusstraeucher. Im Unterholz leuchten pink die Rhododendren, orange der Ingwer und weiss die Begonien. Die Baumstaemme sind mit Moospolstern bewachsen, die Hunderte von Orchideen beherbergen. Wir sind im Nebelwald angelangt, einem flechtenbehangenen Maerchenort. Feuchte, kuehle Nebelschwaden ziehen vom Wind getrieben schnell vorbei, huellen alles in einen diffusen Schleier, um gleich darauf aufzureissen und den Blick in die Ferne freizugeben. Bald sind wir klatschnass von den feinen Nebeltroepfchen, ebenso unsere Kamera, die es spaeter mit Schimmelpilzen im Objektiv buesst.

 

Ein Abstecher vom Weg, 50 Meter den Abhang hinunter. Endlich erblicken wir die erste Kannenpflanze an ihrem Naturstandort. Es handelt sich um Nepenthes rajah, die fleischfressende Koenigskannenpflanze, deren Kelche an die 30 cm hoch werden. Die Kannen sind mit einer sauren Fluessigkeit gefuellt, die bestimmte Enzyme enthaelt, welche hineingefallene Insekten zersetzen und fuer die Pflanze als Nahrung verfuegbar machen. Ein schwungvoll ausgeformtes Dach verhindert, dass zuviel Regen hineinlaeuft. Angelockt werden die Insekten durch den Nektar, der sich am Kannenrand befindet. Sie setzen sich auf den glitschigen Untergrund, koennnen sich nicht festhalten und fallen hinunter in die Fluessigkeit, wo sie schliesslich ertrinken. In einer Nepenthes rajah, die bis zu 2.5 Liter Fassungsvermoegen hat, sollen sogar schon eine tote Ratte sowie ein nahezu komplett verdauter Frosch gefunden worden sein...

 

Wolkenmeer

Der Kinabalu-Nebelwald bietet ein intensives Farbspiel. Er setzt sich nicht einfach nur aus verschiedenen Gruentoenen zusammen, sondern leuchtet mitunter auch graublau, rot, rosa oder gelb. Grau ueberhauchte Baumstaemme kontrastieren mit dem roten Austrieb der immergruenen Straeucher, die weissen Blueten des Schima-Strauches setzen Akzente, die von den gelben und pinkfarbenen Rhododenderen untermalt werden. Im abendlichen Gegenlicht setzen sich die Baumsilhouetten am Horizont wie ein Scherenschnitt vom Himmel ab. Wir erreichen mit gesaettigten Sinnen die Huette und setzen uns auf die Terrasse hinaus, von der man einen weiten Rundblick hat. Doch das Spektakel ist noch nicht zu Ende: Unter uns breitet sich ein gigantisches Wolkenmeer aus, das von der Abendsonne angeleuchtet wird.

 

Auf zum Gipfel

Nach fast schlafloser Nacht in schwankenden Etagenbetten bei saunagleichen Heiz-Temperaturen ziehen wir um vier Uhr morgens los Richtung Gipfel, dem "Lows Peak". Durch die Dunkelheit geht's dem Sonnenaufgang entgegen. Die ersten Gruppen sind schon kurz nach zwei Uhr losgezogen, wir fragen uns, warum wohl? Bald sehen wir’s: Mit der Kondition ist es bei vielen nicht so weit her. Ueberall sitzen im Dunkeln uebermuedete Gestalten und raffen sich alle paar Minuten zu zehn weiteren Schritten auf. Als wir oben sind, ist die Sonne noch weit und breit nicht zu sehen, und wir frieren uns den Arsch ab auf dem windigen Gipfel. Leider ist Carolines Vater nicht dabei: Er ist zwar am Morgen munter mit uns losmarschiert, doch nach ein paar besonders steilen Partien hat er abrupt inne gehalten und gemeint, die duenne Luft mache ihm zu schaffen, er gehe zurueck zur Huette und warte da auf uns. Schon hat er umgedreht und ist bald in der Dunkelheit verschwunden. Schade, denken wir, er hat sich doch so darauf gefreut, den Gipfel zu bezwingen. Etwas spaeter folgt ein letzter Kontrollposten vor dem Gipfel. Es wird nur durchgelassen, wer ordnungsgemaess mit seinem Guide unterwegs ist. Wir geben unsere Namen an und gehen weiter. Einer Eingebung folgend dreht sich Migg noch einmal um und meint: Ein Mitglied unseres Teams folgt spaeter nach, bitte lasst ihn passieren!

 

Endlich wird unsere Warterei belohnt, und die Sonne geht auf. Doch ploetzlich schieben sich dunkle Wolken nach, und schon fallen die ersten Tropfen. Gerade wollen wir uns auf den Rueckweg machen, als Caroline sich umschaut und ihren uebers ganze Gesicht strahlenden Vater entdeckt, der soeben oben angekommen ist! Er schaut sich um und meint, er sei wohl der Aelteste hier, und alle, die er unterwegs angetroffen haette, haetten ihm viel Glueck gewuenscht...

 

Erst jetzt im Tageslicht sehen wir so richtig, wo wir eigentlich sind. Der Gipfel ist in graue Granitplatten gehuellt, in deren Spalten sich einige wenige zaehe Pflanzen krallen, darunter ein niedlicher kleinwuechsiger Rhododendron (R. ericoides) mit roten Bluetengloeckchen, kaum groesser als 5mm. Das Regenwasser fliesst in weitverzweigten Baechlein den Berg hinunter und verwandelt den Granitboden in eine spiegelnde und glitzernde Flaeche. Etwas weiter unten folgen die erste "Baeume", einige knorrige Bonsai, Kunstwerke der Natur, gezeichnet vom Wind und dem naehrstoffarmen Untergrund. Weiter geht’s Richtung Tal, nun die ganze Pflanzenszenerie in umgekehrter Reihenfolge, von den knorrigen alpinen Gewaechsen bis hinunter in den ueppig gruenen Tieflandregenwald mit bis zu 50 Meter hohen Baumriesen. Mit schwachen Knien kommen wir gegen Abend endlich unten an, muede und zufrieden.


Die wichtigsten Kinabalu-Infos
Der Mount Kinabalu Park ist mit dem oeffentlichen Bus von Kota Kinabalu, der Hauptstadt Sabahs, in rund zwei Stunden zu erreichen. Der Park umfaßt 754 km2 und gehoert seit 2000 zum UNESCO Weltkulturerbe. Die Region zaehlt zu Asiens oekologisch wertvollsten Orten und nimmt aufgrund ihrer Pflanzen- und Tiervielfalt auch weltweit einen hohen Stellenwert ein. Der Mount Kinabalu ist mit seinen 4100 Metern der hoechste Berg zwischen dem Himalaja und den Snow Mountains von Papua Barat (Neu Guinea). Die Tour auf den hoechsten Gipfel, den Low’s Peak, nimmt mindestens zwei Tage in Anspruch. Am ersten Tag dauert die Wanderung rund 4 bis 5 Stunden bis zur Laban Rata Huette, wo Uebernachtungsmoeglichkeiten unterschiedlicher Preisklasse vorhanden sind. Am zweiten Tag geht’s 3 Stunden hinauf zum Gipfel und je nach Zustand der Knie 2-3 Stunden (fotografierend etwas mehr...) bis ganz hinunter. Ein Weg ist 8.5 km. Die beste Zeit fuer die Tour ist von April bis Juni oder von Oktober bis Dezember, da es dann am meisten Blueten zu sehen gibt. Im August und September sind Stuerme relativ haeufig. Mehr Informationen unter: www.sabahparks.org.my, www.sabahtourism.com oder www.suterasanctuarylodges.com 

Rotkaeppchen des Regenwaldes

Nach einer schoenen Fahrt durch den Bergregenwald sind wir am Ziel angelangt, dem Regenwald-Reservat von Tambunan, das ungefaehr zwei Stunden von der Hauptstadt Kota Kinabalu entfernt ist. Gespannt steigen wir aus und machen uns auf den Weg zum kleinen Informationszentrum. Ob wohl gerade eine Rafflesia blueht? Es waere toll, diese einzigartige Regenwaldblume anschauen zu koennen. Sie kommt nur in den Regenwaeldern Suedostasiens vor und ist eine der seltensten Pflanzen ueberhaupt. Der Anwesende Ranger laechelt auf unsere Frage nach der Bluete. "Ihr habt Glueck, gerade gestern ist eine Bluete aufgegangen!" Die Freude ist gross, und sofort wollen wir uns natuerlich aufmachen in den Dschungel. Wir erklaeren dem Ranger, dass wir einen Artikel fuer das Magazin "Schweizer Garten" schreiben werden. Er freut sich und meint, sein Kollege fuehre uns gerne zur Rafflesia. Als wir alle bereit sind zum Abmarsch, fragen wir unseren Guide, ob wir spaeter ein kleines Interview mit ihm machen und ihm Fragen zur Rafflesia sowie zu seiner Arbeit stellen duerften? Er zoegert und scheint sich ploetzlich sehr unwohl zu fuehlen. Er sei krank, sagt er dann unvermittelt, sehr stark erkaeltet. Ob es uns recht sei, mit einem anderen Fuehrer loszuziehen? Wir muessen schmunzeln: Er hat wohl Angst gekriegt, dass er unsere Fragen nicht verstehen wuerde...

 

Schnell ist ein Ersatz gefunden: Dius, ein kleiner, wendiger Bursche mit langem Buschmesser an der Huefte ist bereit, mit uns zu gehen. Schnell geht er voran und bald schon sind wir umgeben von lautem Vogelgezwitscher, von Baumfarnen, Lianen und riesigen Baeumen. Auf schmalem Pfad geht’s einen steilen Abhang hinunter, vorbei an einem rauschenden Bach. Ploetzlich zweigt Dius ab, geht einige Meter und bueckt sich hinunter zur Rafflesia-Bluete. Sie ist an die 30 cm gross, leuchtet samtrot und ist mit weissen Flecken bestueckt. Der Anblick ist einfach atemberaubend, staundend halten wir alle inne und betrachten die Wunderblume. Von der Rafflesia geht etwas mystisches aus, wir koennen gut nachvollziehen, dass sie in Sabah einst als Tabu-Pflanze galt. Dius erzaehlt uns, dass sie in der Sprache der Region "wusah-tombuakar", "Pflanze der Geister" heisse. Sie scheint direkt auf dem Boden zu sitzen, hat kein einziges gruenes Blatt, keinen Stengel und keine Wurzeln. Ihre Naehrstoffe holt sie sich bei einer anderen Pflanze, einer Liane (Tetrastigma) aus der Familie der Weinrebe. Sie zapft deren Wurzeln an und holt sich so die Kraft um zu ueberleben.

 

Neben der Bluete entdecken wir braune Knollen unterschiedlicher Groesse. Es handelt sich um die Knospen, die von seidigen Blaettern ummantelt sind und an Kohlkopfe erinnern. Es dauert rund 6 Monate, bis sich daraus eine Bluete entwickelt. Ist sie dann endlich offen, blueht sie lediglich fuer 4 bis 7 Tage, dann ist das Spektakel auch schon wieder vorueber. Waehrend dieser kurzen Zeit muss die Bestaeubung stattfinden. Die Rafflesia (in unserem Falle die Art R. pricei) bedient sich dazu einer cleveren Strategie. Sie verstroemt einen leichten, kaum wahrnehmbaren Geruch nach verrottetem Fleisch und lockt so spezielle Aasfliegen an. Diese setzen sich auf das vermeintlich tote Tier und bestaeuben dabei unbemerkt die Rafflesia. Waehrend wir die Bluete bestaunen, setzt sich doch tatsaechlich eine solche Aasfliege darauf, und Migg legt sich flach auf den Waldboden, um den Moment fotografisch festzuhalten.

 

Vom Aussterben bedroht

Die Gattung der Rafflesien umfasst nach neustem Stand 21 Arten. Nebst Borneo sind sie auf der Halbinsel Malaysia, in Indonesien, Thailand und auf den Philippinen zu finden. Die in Indonesien vorkommende Rafflesia arnoldii ist mit ihren Blueten bis zu einem Meter Durchmesser weltweit die groesste Blume. Doch leider ist das Ueberleben der ganzen Gattung in Frage gestellt. Die Regenwaldabholzung schreitet voran, und mit ihr die Ausrottung der seltenen Blume. Dazu kommt der Faktor, dass die Blueten nur kurze Zeit geoeffnet sind, und dass es maennliche und weibliche Exemplare gibt. Fuer eine erfolgreiche Bestaeubung muessen also gleichzeitig eine maennliche und eine weibliche Bluete in einem gewissen Umkreis offen sein. In Sabah gibt es leider momentan nur noch wenige, oft isolierte und nicht einmal geschützte Standorte, an denen die Rafflesia zu finden ist. Es sind verschiedene Massnahmen zur Erhaltung im Gange. Der wichtigste Punkt ist die Förderung an den Naturstandorten, das heisst, das Schaffen und kontrollieren von Schutzgebieten. Auch die lokale Bevölkerung wird miteinbezogen. Denn nur wer eine Pflanze kennt und liebt, schützt sie auch. Es gibt Projekte, bei denen Einheimische, auf deren Grundstück natürlicherweise eine Rafflesia wächst, diese für Touristen gegen etwas Geld zugänglich machen. Ein weiteres Ziel ist das Schaffen neuer Standorte, unter anderem auch an Orten, die für interessierte Besucher gut erreichbar sind. Doch der Aufbau solcher Populationen ist nicht ganz leicht. Denn bisher ist es noch nicht gelungen, die Rafflesia mit dauerhaftem Erfolg künstlich zu vermehren. Versucht wurde unter anderem die Impfung von Rafflesia-Samen in eine Tetrastigma-Wirtspflanze. Diese Methode hat zwar vielversprechende Resultate gebracht, muss jedoch weiter ausgereift werden.

 

Kampf um die Erhaltung

Einer, der sich an vorderster Front fuer die Erhaltung der Rafflesia einsetzt ist Jamili Nais. Er gehört zum Volk der Kadazandusun und ist in Sabah am Fusse des Mount Kinabalu aufgewachsen. Er studierte Botanik und doktorierte in Schottland mit einer Fallstudie ueber die Rafflesia. Er hat die Erkenntnisse seiner jahrelangen Forschungsarbeit ueber die Rafflesia in einem umfassenden Buch publiziert (ISBN 983-812-042-1, www.nhpborneo.com). Auf die Frage, was ihm die Rafflesia persoenlich bedeutet, meint er: "Alle Dinge der Natur haben eine spezielle Bedeutung für mich: Die Baeume, die Voegel, die Blumen. Doch die Rafflesia ist etwas ganz Besonderes. Man sieht sie selten, und sie ist so schoen! Sie waechst monatelang heran und blueht nur wenige Tage. Fuer mich symbolisiert sie den ganzen Regenwald und zeigt, warum wir ihn schuetzen sollen. Sie ist eine Art Flaggschiff im Kampf um die Erhaltung des tropischen Regenwaldes."


Bei den Nasenaffen

Als wir ins Boot steigen, ist es noch dunkel. Die hohen Felsformationen auf der anderen Seite des Kinabatangan-Flusses sind nur als schemenhafte Konturen wahrzunehmen. Der Morgennebel haengt geheimnisvoll ueber dem Wasser. Wir tuckern flussaufwaerts. Mit dabei sind Carolines Eltern, den Feldstecher im Anschlag. Die zwei Vollblut-Ornithologen kommen hier in diesem Vogelparadies voll auf die Rechnung. Die Sonne geht auf und verdraengt langsam die Nebelschwaden, die schwarzen Schatten am Ufer verdichten sich zu riesigen Baumgestalten. "Da – ein Krokodil!" ruft unser Fuehrer Kenneth. Er hat frueher beim WWF gearbeitet und kennt sich gut aus in der Tierwelt des Kinabatangan. Tatsaechlich liegt ein grosses Krokodil im seichten Uferbereich. Etwas weiter entdecken wir einen Otter, der blitzschnell im Wasser verschwindet. Schillernde Eisvoegel ziehen dicht an uns vorbei, und weit entfernt im Dickicht entdecken wir ein suesses weisses Voegelchen mit Schwanzfedern wie ein Brautschleier, die um ein vielfaches laenger sind als sein Koerper (Asian Paradise Flycatcher). Aus einer Baumkrone erheben sich zwei Nashornvoegel, die sich mit laut hallendem Fluegelschlag gemaechlich entfernen. Ihre gelben Schnaebel mit dem roten Aufsatz bilden einen schoenem Kontrast zum schwarzen Federkleid. Der Ausdruck "Globivogel" passt irgendwie vorzueglich zu ihnen...

 

Die ganze Affenbande

Das Blattwerk bewegt sich leise. Ist es der Wind? Bald erkennen wir in der Baumkrone ein Dutzend heller Gestalten. Nasenaffen! Die Gruppe besteht aus lauter Maennchen, alles "Junggesellen", wie uns Kenneth aufklaert. Sie schauen zu uns hinunter, mit kleinen, wachen Augen und ueberproportional grossen Nasen. Ein skurriler Anblick, irgendwie zum Lachen. Wie sie da so sitzen und fressen, erinnern sie einem ganz stark an Menschen. Den Namen Nasenaffen verdanken sie uebrigens den ersten Kolonialherren, den Hollaendern. Sie kommen ausschliesslich auf Borneo vor und leben vorzugsweise in Mangrovenwaeldern.

 

Die Kehrseite

Wir zweigen vom Hauptfluss ab und erkunden die schmalen Seitenarme. Die Baeume neigen ihre Aeste weit ueber das Wasser. Das Ufer besteht aus dicht verflochtenem Wurzelwerk. Manchmal zwingt uns ein umgefallener Baumstamm zu einem Umweg. Die laengste Zeit beobachten wir einen Asiatischen Silberreiher beim Verspeisen eines Fisches. Ploetzlich ein Szenenwechsel. Von der einen zur anderen Minute sind wir an einer scharfen Grenze angelangt. Hier der lebendige Regenwald, dort die sterilen Oelpalmen, in geometrische Reihen gepflanzt. Gerade eben noch im Wunderland, werden wir schonungslos in die Realitaet katapultiert. Schnell dreht Kenneth das Boot um und macht sich auf den Rueckweg in die "heile Welt". Wir sind schockiert und realisieren, wie gefaehrdet das letzte Stueck Wald entlang des Flusses ist, und wie schmal der Streifen ist, der den Tieren noch zur Verfuegung steht. Wird das Schutzgebiet nicht ganz schnell massiv ausgedehnt, wird es ihnen nicht moeglich sein, laengerfristig zu ueberleben. Momentan ist die ganze Region fast so etwas wie ein grosser Freiluftzoo. Es braucht keinen Zaun, denn die Umgebung ist so lebensfeindlich, dass die Tiere von selbst hierbleiben. Zurueck in der Lodge diskutieren wir die Probleme mit den Angestellten und erfahren, dass gemeinsam mit WWF Malaysia Bestrebungen im Gange sind, mit den Oelplantagen-Multis zu diskutieren und mehr Land unter Schutz zu stellen. Boese Zungen werfen dem WWF allerdings vor, er sei vor allem damit beschaeftigt, bunte Plaene zu zeichnen und Visionen zu formulieren, statt aktiven Druck auszuueben.

 

In Sabah sind heute riesige Flaechen, auf denen einst Regenwald wuchs, mit Oelpalmen bepflanzt. Die Palmen sind, wie es Monokulturen so an sich haben, anfaellig auf diverse Krankheiten und werden entsprechend massiv gespritzt. Aus den Fruechten wird in Fabriken, die tiefschwarzen Rauch ausspucken, Pflanzenoel hergestellt. Nachts wird das Oel in riesigen Tankern den Kinabatangan-Fluss hinunter transportiert. Wir beschliessen, ab sofort alle Palmoelprodukte zu boykottieren, nur um zu realisieren, dass dies ein reichlich naives Unterfangen ist. Denn das Oel ist buchstaeblich ueberall drin, in Nahrungs- ebenso wie in Waschmitteln, selbst in Getraenken und Kosmetika. Kenneth erzaehlt uns, Europa gehoere zu den groessten Abnehmern.


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Last update:  09:41 26/02 2007