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Sarawak – Ein Trekking durch den Dschungel


Inhalt

Bei den Kelabit

Im Dschungel

Die letzten Nomaden

 


Bei den Kelabit

Ein gruenes Plateau mit mosaikartigen Reisfeldern, einige eingestreute Holzhaeuser und in der Ferne bewaldete Berge. Wir sind in Bario angekommen, das einen paradiesischen Eindruck auf uns macht. Schon am Flughafen, der nichts als ein kleines Gebaeude und eine kurze Landepiste ist, fuehlen wir uns wohl. Das halbe Dorf scheint sich versammelt zu haben, und alle gruessen uns freundlich. Vier Tage mussten wir warten, bis wir endlich Tickets fuer das 18 plaetzige Flugzeug nach Bario kriegten. Der Luftweg ist die einzige Moeglichkeit, hierher zu gelangen, es sei denn, man schlage sich zu Fuss fuer 14 Tage durch den Dschungel. Eine Strasse gibt es (noch) nicht, so ist Bario relativ urspruenglich geblieben und wird von Touristen nicht in grossen Massen heimgesucht. Die Region liegt auf ueber 1000 m.ue.M und wird vom indigenen Stamm der Kelabit bewohnt. Das Volk, dem vor noch nicht allzulanger Zeit auch gefuerchtete Kopfjaeger angehoerten, lebte durch die geografische Lage lange Zeit unbemerkt im Dschungel Sarawaks und wurde erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts “entdeckt“. Die einschneidendsten Veraenderungen folgten nach dem Zweiten Weltkrieg, mit dem Bau des Flugplatzes, der ersten Schule und der Christianisierung des Volkes. Heute sind zwar noch viele traditionelle Elemente im Lebensstil der Kelabit vorhanden, doch die Leute gehen mit der Zeit und haben sich vielen modernen Einfluessen angepasst. Selbst ein solarbetriebenes Internet-Cafe gibt es in Bario, eine Moeglichkeit fuer die Bewohner, mit der Aussenwelt zu kommunizieren. Viele junge Kelabit sind mittlerweile abgewandert in die Staedte, um zu studieren oder zu arbeiten und koennen so ueber Internet den Kontakt zur Heimat aufrecht erhalten.

 

Der beste Reis

Schon den ganzen Tag haben wir uns aufs Nachtessen gefreut. Reddish und Ness, unsere Gastgeber, stellen eine Schuessel nach der anderen auf den Tisch. Ein wuerziges Ananascurry, gekochte Farnwedel, Palmherzen und Wildspinat, dazu Wildsau-Geschnetzeltes. Nach Monaten in muslimischen "serve-no-pork"-Restaurants fuer uns ein besonderes Ereignis! Natuerlich fehlt auch der legendaere Bario-Reis nicht, der unter Kennern als der beste Reis ueberhaupt gilt. Die Koerner sind ganz klein und wirklich aussergewoehnlich schmackhaft. Alles, was wir essen, stammt aus der Umgebung, von Hand gesammelt, gepflueck und gejagt.Wir sitzen mit der Familie an einem grossen, runden Tisch in der gemuetlichen Kueche. In der Ecke ist Brennholz aufgeschichtet und auf einer Steinplatte im Boden brennt das Feuer, auf dem gekocht wird. Doch bevor wir mit dem Essen beginnen koennen, wird gebetet.

 

Zwischen Tradition und Moderne

Morgens treffen sich die Kelabit der aelteren Generation jeweils im Zentrum Barios. Es besteht aus einigen Restaurants und Laeden, die ein bunt durchmischtes Sortiment von Schuhen bis Geschirr anbieten. Die Frauen tragen bunte Flechtkoerbe auf dem Ruecken, einige von ihnen haben gemusterte Kaeppchen aus gestickten Perlen auf dem Kopf. Ihre Ohrlaeppchen sind mit schwerem Blechschmuck behangen und reichen bis ueber die Schultern. Ein exotischer Anblick, der unsere Blicke immer wieder anzieht. Der Brauch ist nur noch bei den aelteren Leuten zu sehen, wobei auch diese durchaus offen sind fuer Neues. So faehrt beispielsweise ein alter Mann schwungvoll auf dem Moped vor, auf der Nase eine moderne Sonnenbrille, auf dem Kopf eine Baseballmuetze, dazu sein traditioneller Ohrschmuck. Ja, obwohl keine Strasse nach Bario fuehrt, gibt es hier eine handvoll Mopeds und sogar einige Autos, die per Cargo-Flugzeug hierhergeschafft wurden. Die befahrbaren Kiesstrassen im Dorf sind gerade mal acht Kilometer lang.

 

Wieviel Entwicklung ist gut?

Im Moment wird in Bario ganz unbewusst eine Art “sanfter Tourismus“ praktiziert, der auch wunderbar funktioniert. Die Leute, die hierherkommen, sind rundum zufrieden und werden freundlich aufgenommen. Ein Bett und eine kalte Dusche reichen ihnen, sie wollen keinen Luxus. Doch wie ueberall riecht der Staat auch hier das Geld. Der Tourismus soll weiterentwickelt und mehr Leute angezogen werden. Wir treffen auf eine Delegation aus der Hauptstadt Sarawaks, die evaluieren soll, was in Bario punkto Tourismus verbessert werden kann. Wir diskutieren eine Weile mit den “Fachleuten“ aus der Stadt, die wahrscheinlich noch nie einen Fuss in den Dschungel gesetzt haben. Schnell merken wir, dass unsere Vorstellungen von sinnvollem Tourismus zu weit auseinanderliegen, um ein Gespraech zu fuehren. Sie moechten die Infrastruktur verbessern, den Standard erhoehen, wollen bestimmte Touren ausarbeiten, die nur noch mit einem staatlich zertifizierten Guide moeglich sind. Doch genau das Mass an Unorganisiertem und die Einfachheit ist es, was Bario so speziell macht. Wir erklaeren, dass man nicht alle Touristen in den gleichen Topf schmeissen kann, dass man den individuellen Beduerfnissen gerecht werden muesse, doch leider verstehen sie nur Bahnhof. Schade! Wir sind auf jeden Fall froh, Bario noch vor diesen Aenderungen entdecken zu koennen...

 

Wir verweilen einige Tage im Dorf und fuehren mit den Einheimischen interessante Gespraeche. Erst jetzt realisieren wir, wie stark das Dorf im Umbruch ist. Die Regenwaldabholzung rueckt naeher und naeher. Man munkelt, einige Kelabit-Chefs haetten sich von den Holzfirmen bestechen lassen und den Widerstand fuer laecherliche Geldsummen und Geschenke aufgegeben. Viele Kelabits freuen sich, dank den Holzfaellern endlich eine Strasse in die naechste Stadt zu haben, ohne zu realisieren, was fuer Veraenderungen der Verlust des Regenwaldes haben wird. Andere wiederum sehen zwar, was abgeht, doch trauen sie sich nicht, Widerstand zu leisten aus Angst vor der Regierung. Waehrend wir in Bario sind, finden gerade die Wahlen statt. Ueberall haengen Plakate mit laechelnden Kandidaten, in der Gemeinschaftshalle des Dorfes finden Propagandaveranstaltungen statt. Der Grundtenor heisst "waehlt die Nationalpartei und ihr kriegt geteerte Strassen sowie Elektrizitaet – waehlt die Opposition (die sowieso keine Chance hat zu gewinnen) und wir stoppen jegliche Entwicklungsprojekte und vergessen euch". Abends gibt es ein gratis Festmahl fuer alle, bestehend aus Wasserbueffel, Gemuese und Reis. Der Wasserbueffel wurde am Morgen eigens dafuer geschlachtet, eine Attraktion, bei der natuerlich auch wir dabei waren.

 

Ein Fragezeichen in der Entwicklung Barios ist auch die Zukunft der Reisfelder, die das Landschaftsbild so nachhaltig praegen. Wir erfahren, dass es an Leuten mangelt, welche die harte Arbeit in den Reisfeldern tun wollen. So muessen jedes Jahr zur Erntezeit unzaehlige indonesische Arbeiter aus dem nahen Kalimantan angeheuert werden, um die Reisproduktion sicherzustellen. Die Regierung habe Plaene, erfahren wir von einem Einheimischen, statt Reis verschiedene Gemuesesorten sowie Schnittblumen anzubauen. Schade, denn der Reis koennte mit ein bisschen Marketing wahrscheinlich sehr gut verkauft werden, da er wirklich aussergewoehnlich gut ist. Vielleicht liesse sich die Arbeit irgendwie rationalisieren? Die Entwicklung Barios waere auf jeden Fall eine interessante Diplomarbeit fuer Landschaftsplaner...


Im Dschungel

Wir haben vor, von Bario aus ein Dschungeltrekking zu unternehmen und machen uns auf die Suche nach Simon, der uns als guter Guide empfohlen wurde. Er gehoert zum Stamm der Penan und soll den Weg nach Pa’tik kennen, einem kleinen Dorf mitten im Dschungel. Die Penan sind ein urspruenglich nomadisierendes Volk, das mehr und mehr zur Sesshaftigkeit gezwungen wird, weil ihr Lebensraum, der Dschungel, zerstoert wird. Simon, so wird uns gesagt, wohne in der kleinen Penansiedlung oberhalb von Bario. Wir ueberqueren sumpfige Wiesen, balancieren auf Bambusrohren ueber einen Bach, bis schliesslich zwischen den Baeumen einige Wellblechdaecher und blaue Plastikplanen auftauchen. Auf duennen Holzstaemmen stehen ein paar einfache Huetten. Das ganze wirkt irgendwie verlassen, wir wollen schon umdrehen, als in der Tuer einer Huette ein Maedchen und zwei kleine, lachende Kinder auftauchen. Wir fragen nach Simon und betonen den Namen englisch. Das Maedchen runzelt die Stirn. Sie scheint uns nicht zu verstehen. Nach einer Weile sagt sie ploetzlich: "Ah, Simoon", in fast schon schweizerdeutscher Betonung. Wir muessen lachen. "Ja, genau den suchen wir"! Der sei unterwegs, meint das Maedchen in Englisch, sie wisse nicht, wann er zurueckkomme. Es beginnt zu regnen, zuerst nur ein wenig, dann immer staerker. Das Maedchen winkt, "come in, come in". Ueber einen schraeg angelehnten Baumstamm mit eingekerbten Tritten klettern wir nach oben in die Huette ihrer Familie. Auf ungefaehr vier Quadratmetern lebt eine ganze Familie. Der Raum ist durch eine Stufe zweigeteilt, unten ist die Feuerstelle, oben der Schlafbereich. In einer kleinen Haengematte schlaeft ein Baby, die zwei kleinen Kinder rennen aufgeregt um uns herum und bestaunen uns neugierig. Das Maedchen vertieft sich in seine Schularbeiten, waehrend sich die junge Mutter mit geschickten Haenden ihrer Flechtarbeit aus Rattan widmet. Schliesslich laesst der Regen nach, wir bedanken uns und machen uns auf den Rueckweg ins Dorf.

 

Auf eigene Faust

Schliesslich ziehen wir alleine los Richtung Pa’tik. Da die Strecke von den Penan relativ haeufig genutzt wird, treffen wir ja vielleicht unterwegs jemanden an, der uns den Weg weisen kann. Sobald wir an einen Punkt kommen, an dem wir uns ueber die weitere Richtung unsicher sind, drehen wir einfach um. Denn es geht uns nicht darum, unbedingt das Dorf zu erreichen, sondern mehr um das Erlebnis im Dschungel. Waehrend sechs Tagen sind wir unterwegs, suchen unseren Weg ein steiles Bachtobel hinunter, klettern ueber umgefallene Baumstaemme, fallen in Fluesse und benutzen die wackeligen Bambus-Bruecken der Penan. Wir beobachten im Unterholz eine knallgruene Baumschlange, sehen riesige Kaefer, Eichhoernchen und die Spuren von Hirschen. Es macht Spass, immer die Augen offen zu halten auf der Suche nach dem weiteren Weg und anhand verschiedenster Merkpunkte zu memorisieren, woher wir gekommen sind. Der Wald ist zwar kein Primaer-Dschungel, doch nach unserer Schaetzung mehrere Jahrzehnte alt, mit einigen dicken Baumriesen, moosigen Staemmen, Lianen und vielen Bluetenpflanzen. Nachts stellen wir unser Zelt auf, kochen ueber dem Feuer und lauschen dem lauten Konzert des Regenwaldes. An einem breiten Fluss rasten wir fuer einen Tag, fischen und geniessen das Outdoorleben.

 

Bald schon kommt der erste Regen. Wir hoeren ihn hoch oben auf das dichte Blaetterdach trommeln, lange bevor er uns schliesslich erreicht. Irgendwie ist es ein schoenes Gefuehl, so im Regen zu stehen. Doch mit der erhoehten Feuchtigkeit kommen auch die Blutegel in Scharen. Sie kriechen in die Schuhe, finden ihren Weg durch klitzekleine Luecken in der Kleidung, saugen sich an Armen, Beinen und mit Vorliebe am Bauch fest und wollen nicht mehr loslassen. Bald gewoehnen wir uns an, regelmaessige “Blutegel-Checks“ durchzufuehren und kriegen die gierigen Sauger einigermassen in den Griff. Doch immer wieder ist da einer, der uebersehen wird und es abends bis ins Zelt schafft... Je mehr es regnet, umso schlammiger wird auch der Untergrund. Wir sind froh, auf die Empfehlungen der Einheimischen gehoert und unsere Trekkingschuhe durch billige Plastik-Bowlingschuhe ersetzt zu haben. Ganze drei Franken haben sie uns gekostet und ihre Noppen bewahren uns vor manchem Kniefall.

 

Am dritten Tag wird der Weg nach Pa’tik immer unklarer, bis wir schliesslich an einen breiten Fluss gelangen und nicht mehr mit Sicherheit erkennen koennen, wo es auf der anderen Seite weitergeht. Wir beschliessen also, umzudrehen. Die Strategie, unterwegs jemanden anzutreffen, der uns mit nach Pa’tik nehmen kann, geht leider nicht ganz auf. Immer wieder stossen wir auf verlassene Penan-Schlafstaetten, einfache Holzroste, die etwas vom Boden abgesetzt und mit Bananenblaettern oder einer Plastikplane abgedeckt werden koennen. Doch wir treffen keine Menschenseele an. Erst, als wir schon bald wieder in Bario sind, hoeren wir ploetzlich Stimmen, eine Penanfamilie kommt uns entgegen. Vater, Mutter und die drei Kinder sind sehr modern gekleidet. Einzig der lange Speer, den der Vater in der Hand haelt und die geflochtenen Koerbe, die sie alle auf dem Ruecken tragen, erinnern an ihre traditionelle Lebensweise als Nomaden. Wir unterhalten uns eine Weile mit ihnen und gerne stellen sie sich fuer ein Familienfoto auf.


Die letzten Nomaden

Es steht schlecht um den Regenwald, der einst ganz Sarawak bedeckte. Ueber 90% (!) des Primaerregenwaldes sind bereits gerodet! Ueber Millionen von Jahren ist der Urwald gewachsen, innerhalb von nur 40 Jahren wurde er von den Menschen praktisch zerstoert. Das Holz wird fuer Moebel verwendet, aber zu einem grossen Teil auch als billiges Bauholz oder sogar zu Klopapier verarbeitet! Die Holzfirmen Malaysias, die unter anderem auch eng mit europaeischen Firmen zusammenarbeiten, bedienen sich aggressivsten Praktiken, verbreiten falsche Angaben und weigern sich, die Landrechte der indigenen Voelker anzuerkennen. Der Widerstand haelt noch immer an: Als wir diesen Bericht schreiben ist eine Strassenblockade der Penan aufgebaut, um die letzten Gebiete vor der Abholzung zu schuetzen. Die Penan sind ein indigener Volksstamm, der in den Regenwaeldern Sarawaks als Nomaden lebt. Durch die Abholzung ist die Mehrheit von ihnen sesshaft geworden, da ihnen ihr Lebensraum entzogen wird. Nur noch rund 200 Penan leben als Nomaden. Es gibt kaum mehr Tiere zu jagen, die Fluesse sind vergiftet und die Sago-Palmen sind rar geworden. Sago ist eine Staerke, die aus einer Palme (Metroxylon sagu) gewonnen wird und eine wichtige Nahrungsgrundlage der Penan darstellt. In der Rinde hausen ausserdem essbare Insektenlarven und die Blaetter koennen verwendet werden, um Waende oder Daecher zu flechten.

 

Der Schweizer Bruno Manser hat sich an vorderster Front fuer das Ueberleben der Penan eingesetzt. Er lebte von 1984 bis 1990 mit ihnen und dokumentierte ihre Sprache, Kultur und Lebensweise. Er war bis zu seinem ungeklaerten Verschwinden im Jahr 2000 ihr internationales Sprachrohr. Von der Regierung Malaysias und Sarawak wurde er mit seinen weitbeachteten Aktionen als Bedrohung empfunden und zum Staatsfeind erklaert. Mehr Informationen unter www.bmf.ch und www.rengah.c2o.org


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Last update:  09:42 26/02 2007